Medikamente im Alter

Körperliche Veränderungen gehören zum natürlichen Prozess des Alterns. Stoffwechsel, Gewebe, Organe – unser gesamter Organismus ist dieser Entwicklung unterworfen. Das wird mal mehr, mal weniger offensichtlich und spürbar, doch wir werden uns damit abfinden müssen, dass unser körperliches und geistiges Leistungsvermögen mit dem Alter nachlässt. Damit steigt auch die Anfälligkeit für bestimmte Erkrankungen. Hinzu kommen möglicherweise Spätfolgen nicht vollständig auskurierter Erkrankungen oder auch gesundheitsschädigende Einflüsse und Lebensgewohnheiten, deren Folgen sich im Laufe der Jahre aufsummieren. All dies erklärt, warum viele ältere Menschen gesundheitliche Probleme haben, regelmäßig Medikamente einnehmen, und zwar sehr häufig mehrere verschiedene Präparate. So ist in Deutschland die Altersgruppe der über 60-Jährigen der Hauptabnehmer von Medikamenten. Allerdings bleibt bei der Zulassung sowie bei der Verordnung von Medikamenten viel zu oft unberücksichtigt, dass der Arzneistoff bei älteren Menschen anders wirkt als bei jungen oder dass in Kombination mit anderen Präparaten ungewollte Wechselwirkungen auftreten können.

goodluz-fotolia© goodluz - fotolia.com Wohl kaum ein Patient nimmt gerne regelmäßig Medikamente ein. Sie sollten jedoch nicht vergessen: Sehr oft ist es der guten medikamentösen Therapie zu verdanken, dass wir auch bei Erkrankungen und nachlassender Leistungsfähigkeit eine hohe Lebensqualität bewahren können.

Multimedikation/Polypharmazie

Wenn ein Patient parallel mehrere unterschiedliche Medikamente einnimmt, bezeichnet man dies in der Fachsprache als Multimedikation oder Polypharmazie. Ab einem gewissen Alter entspricht MultimedikationMultimedikation,
auch Polypharmazie, bezeichnet die gleichzeitige Anwendung verschiedener Arzneimittel.
dem Regelfall. Die Daten der gesetzlichen Krankenversicherung zeigen, dass etwa 30 bis 40 Prozent aller Bundesbürger, die älter als 65 sind, täglich mindestens 4 Arzneimittel einnehmen. Ab 75 Jahren nimmt jeder Dritte sogar mehr als 8 Arzneimittel ein.

Risiko von Nebenwirkungen

"Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" – diesen Ratschlag sollte jeder beherzigen. Denn Medikamente wirken nicht zielgenau gegen ein bestimmtes Leiden, sondern sie greifen in biochemische Prozesse in unserem Körper ein. Dadurch stören sie u. U. Abläufe an anderer Stelle, so dass unerwünschte Nebenwirkungen auftreten können. Diese sind je nach Medikament sowie körperlicher und gesundheitlicher Verfassung des Patienten als harmlos bis schwerwiegend einzuordnen. Daher ist es wichtig, dass man das WirkprofilWirkprofil
Teil der Pharmakodynamik, wird durch Art und Ort der Wirkung des Arzneistoffes bestimmt.
eines Arzneimittels möglichst gut kennt, d. h., man muss wissen, wie der Wirkstoff vom Körper aufgenommen und verarbeitet wird und welche Effekte die Substanz auf die verschiedenen Abläufe und Funktionen im Organismus hat.

BSIP_Beipackzettel_Fotolia© BSIP - fotolia.comAuf dem Beipackzettel sind sie alle aufgeführt: die möglichen Nebenwirkungen, Wechselwirkungen und Gegenanzeigen eines Medikaments. Dabei zeigt sich: Manche Medikamente sind für ältere Menschen und bei bestimmten Vorerkrankungen nicht geeignet.

Ältere Menschen sind in der Regel anfälliger für unerwünschte Nebenwirkungen. Der normale Alterungsprozess bringt es mit sich, dass Wirkstoffe anders aufgenommen, verarbeitet und abgebaut werden. So steigt z. B. im Alter der Anteil an Körperfett, während der Anteil an Körperwasser sinkt. Das führt u. a. dazu, dass die Konzentration eines Wirkstoffs im Blut höher sein kann als bei jungen Menschen. Aufgrund nachlassender Stoffwechselaktivität und Leistungsfähigkeit der Organe, insbesondere der Nieren, werden Medikamente auch langsamer abgebaut und ausgeschieden. Zudem reagiert der Körper auf manche Wirkstoffe sehr viel empfindlicher. Das betrifft z. B. Medikamente, die sich auf das Nervensystem auswirken. Bei älteren Menschen führen sie oftmals zu Müdigkeit und Schwindelgefühlen.

Wirkprofil von Arzneimitteln

Um das Wirkprofil eines Arzneimittels möglichst genau zu erfassen, braucht man zum einen Kenntnisse darüber, wie der Wirkstoff vom Körper aufgenommen und verarbeitet wird, zum anderen muss man wissen, welche Effekte die Substanz auf die verschiedenen Abläufe und Funktionen im Organismus hat. In der Fachsprache werden sämtliche Prozesse, denen ein Arzneistoff im Körper unterliegt, also seine Aufnahme (Absorption), die Verteilung im Körper (Distribution), der biochemische Um- und Abbau (Metabolisierung) sowie die Ausscheidung (Exkretion), als PharmakokinetikPharmakokinetik
beschreibt, wie der Körper nach Gabe des Arzneistoffes reagiert. Dazu gehören sämtliche Prozesse, denen ein Arzneistoff im Körper unterliegt, also seine Aufnahme (Absorption), die Verteilung im Körper (Distribution), der biochemische Um- und Abbau (Metabolisierung) sowie die Ausscheidung (Exkretion).
bezeichnet. Der Begriff PharmakodynamikPharmakodynamik
beschreibt die biologischen Effekte eines Arzneistoffes auf den Organismus. Dazu gehören die Wirkmechanismen, die von der Dosierung abhängigen Wirkungen und unerwünschten Nebenwirkungen.
beschreibt, auf welche Weise ein Arzneistoff wirkt und die verschiedenen biochemischen und physiologischen Vorgänge im Körper beeinflusst.

Risiko von Wechselwirkungen

Das Risiko unerwünschter Nebenwirkungen steigt mit der Anzahl der Medikamente, die Sie einnehmen müssen. Zum einen können sich die Nebenwirkungen mehrerer Präparate aufaddieren, zum anderen können sich die Wirkstoffe der verschiedenen Medikamente gegenseitig so beeinflussen, dass unerwünschte oder gar gefährliche Wechselwirkungen auftreten. Wenn z. B. alle Medikamente müde machen und die Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigen, kann dies zu ernsthaften Problemen führen. Bei älteren Patienten sind vor diesem Hintergrund u. a. Wirkstoffe mit sogenannten anticholinergen Nebeneffekten zu beachten. Dazu gehören Symptome wie Mundtrockenheit, Verstopfung, Sehstörungen und Steigerung der Herzfrequenz. Werden mehrere Wirkstoffe mit diesem Effekt eingenommen, kann sich ein anticholinerges SyndromAnticholinerges Syndrom
Unter diesem Begriff werden Symptome zusammengefasst, die durch anticholinerg wirkende Medikamente (Anticholinergika) hervorgerufen werden. Dazu gehören: Mundtrockenheit, Verstopfung, Sehstörungen, Steigerung der Herzfrequenz, Schwindel, Verwirrtheit, Angst und Unruhe.
mit Schwindel, Sehstörungen, Verwirrtheit und Kreislaufinstabilität ausbilden.

Der Arzt muss daher bei der Verordnung eines neuen Medikaments überprüfen, welche Medikamente Sie sonst noch einnehmen, und Nutzen und Risiken der neuen Verordnung abwägen. Bei Patienten, die an mehreren Erkrankungen gleichzeitig leiden – man spricht von MultimorbiditätMultimorbidität
bezeichnet das gleichzeitige Vorhandensein mehrerer Krankheiten bei einer einzelnen Person. Da mit zunehmendem Alter die Anfälligkeit für bestimmte Erkrankungen steigt, ist Multimorbidität bei älteren Patienten stark verbreitet und bildet u. a.einen besonderen Schwerpunkt der Geriatrie.
–, muss er bei der Therapiewahl stets alle Erkrankungen berücksichtigen. Mitunter können nicht alle Erkrankungen eines multimorbiden Patienten gleichermaßen gut behandelt werden. Dann muss der Patient gemeinsam mit dem Arzt entscheiden, welchen Schwerpunkt und welches Ziel die Behandlung haben soll. In vielen Fällen wünschen sich ältere Patienten eine Medikation, die vorrangig Beschwerden behandelt, durch die sie im Alltag eingeschränkt sind, so z. B. die Linderung von Schmerzen, Angstzuständen oder Schwindel.

Photographee.eu-fotolia© Photographee.eu - fotolia.comEinige Wirkstoffe haben sogenannte anticholinerge Nebeneffekte. Dazu gehören Symptome wie Mundtrockenheit, Verstopfung, Sehstörungen und Steigerung der Herzfrequenz. Durch Wechselwirkung mehrerer solcher Wirkstoffe kann sich ein anticholinerges Syndrom mit Schwindel, Sehstörungen, Verwirrtheit und Kreislaufinstabilität ausbilden.

Je mehr Medikamente ein Patient einnimmt, desto schwieriger wird es allerdings, die möglichen Risiken von Wechselwirkungen zu erfassen. Nach Einschätzung von Experten lässt sich ab 5 Medikamenten kaum abschätzen, wie die Substanzen zusammenwirken. Dies gilt nicht nur für Medikamente, die vom Arzt verordnet werden und die Sie per Rezept in der Apotheke bekommen. Die Einnahme einiger Arzneimittel bedarf nicht notwendigerweise der ärztlichen Überwachung, so dass Sie diese rezeptfrei bzw. frei verkäuflich in der Apotheke erhalten. Auch bei Einnahme von rezeptfrei erhältlichen bzw. frei verkäuflichen Arzneimitteln und pflanzlichen Wirkstoffen können Neben- und Wechselwirkungen nicht ausgeschlossen werden. Daher sollten ältere Patienten vor der Einnahme jedes zusätzlichen Präparats – dazu gehören auch das Erkältungsmittel und die Kopfschmerztablette – vorsichtshalber Rücksprache mit ihrem Arzt halten oder sich in der Apotheke beraten lassen.

Apothekenpflichtige und frei verkäufliche Arzneimittel

Das Arzneimittelgesetz unterscheidet verschiedene Möglichkeiten der Abgabe eines Arzneimittels an den Verbraucher:

  • Apothekenpflichtige Arzneimittel bekommen Sie ausschließlich in der Apotheke. Es handelt sich dabei
    • entweder um verschreibungspflichtige Medikamente, die Ihnen der Arzt auf Rezept verordnet hat, deren Einnahme Ihnen vom Arzt erklärt wurde und eine ärztliche Überwachung erfordert,
    • oder um "einfach apothekenpflichtige" Medikamente, die Sie rezeptfrei in der Apotheke erhalten, die nicht notwendigerweise eine ärztliche Überwachung erfordern, zu denen Sie sich aber vom Apotheker beraten lassen sollten.
  • Frei verkäufliche Arzneimittel erhalten Sie nicht nur in Apotheken, sondern auch in Drogerien oder Supermärkten.
Gegenanzeigen

Von manchen Medikamenten ist bekannt, dass sie bei bestimmten Vorerkrankungen, Gesundheitszuständen und Lebensumständen nicht eingenommen werden dürfen, da es sonst zu gesundheitlichen Schäden kommen kann. Sie finden diese Anwendungseinschränkungen auf dem Beipackzettel unter dem Stichpunkt Gegenanzeigen oder KontraindikationenKontraindikation
oder Gegenanzeige bezeichnet einen Umstand, z.B. Alter, bestimmte Vorerkrankungen, Verletzungen etc., der die Anwendung eines diagnostischen oder therapeutischen Verfahrens (u. a. auch die Einnahme von Medikamenten) ausschließt oder nur nach strenger Risikoabwägung zulässt. Man unterscheidet dabei zwischen absoluter und relativer Kontraindikation. Bei der absoluten Kontraindikaion muss auf die geplante Maßnahme verzichtet werden, da ihre negativen Auswirkungen für den Patienten zu riskant sind. Bei einer relative Kontraindikation kann die Maßnahme durchgeführt werden, wenn der erwartete Nutzen den zu befürchtenden Schaden aufwiegt.
aufgelistet. Typische Beispiele sind bestehende Überempfindlichkeitsreaktionen gegen enthaltene Wirkstoffe, vorliegende Stoffwechselstörungen, bestimmte Organerkrankungen sowie die gleichzeitige Einnahme bestimmter Wirkstoffe, die Wechselwirkungen auslösen könnten. Bei manchen Wirkstoffen steht das Auftreten von Nebenwirkungen in Zusammenhang mit dem Alter des Patienten. Auch dies ist unter den Gegenanzeigen entsprechend aufgeführt.

Ob ein Arzneimittelwirkstoff für ältere Menschen kritisch sein könnte, können Arzt und Apotheker u. a. in der PRISCUS-Liste und der FORTA-Liste nachsehen.

Lesen Sie unsere Informationen zur PRISCUS-Liste  und zur  FORTA-Liste

Broschüre zum Thema

Unsere Broschüre erklärt, was eine sichere Arzneimittelversorgung bedeutet und warum bei älteren Patienten die Risiken von Neben- und Wechselwirkungen dabei eine große Rolle spielen.

Broschüre Medikamente im Alter

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